SINGEN IM NAMEN PAVAROTTIS

Von acht Uhr früh an wird gesungen --
bis nach Mitternacht . . .
Über die Mühen eines Gesangswettbewerbs
(Modena 1991)

Er scheint bei italienischen Opernstars der Weltklasse zum guten Ton zu gehören: der eigene Gesangswettbewerb. Luciano Pavarotti schart seit Jahren junge Talente zur Endauslese im Modener Teatro Communale um sich. In seinem Concorso hat der Startenor immerhin Talente wie Fiamma Izzo D'Amico, Mignon Dunn und Francesco Elero d'Artegna "entdeckt"...

250 Finalisten waren es heuer, die in Vorsingen auf der ganzen Welt ausgewählt wurden. Zum Endspurt in Pavarottis Heimatstadt Modena wurden an zwei Tagen insgesamt 123 Kandidaten für das Finale approbiert. Und BP (Big Pavarotti) bewies auch in seinem Wettbewerb, daß er ein Künstler der Superlative ist.

Um acht Uhr abends hebt sich der Vorhang im historischen, vom herzöglichen Architekten Francesco Vandelli 1838 erbauten Logentheater zu Modena, erst Stunden nach Mitternacht endet Pavarottis Sängerkrieg. Der Maestro höchstpersönlich kündigt mit dem ihm eigenen enthusiastischen Ton in der Stimme via Mittelloge unermüdlich neue Kandidaten (es werden über 50 pro Abend!) mit Namen und Alter an, kaum daß die Vor-Sänger das Podium verlassen haben.

Aus den fünf Arien, die jeder Kandidat vorbereitet, scheint Pavarotti gerne Piecen aus seinem eigenen Repertoire zu wählen, denn überdurchschnittlich oft ertönt italienisches (Belcanto-)Fach. Über ein Drittel der aus allen Ländern stammenden Jungbarden sind übrigens gebürtige Italiener/innen. Just bei Mozart war die Jury, bestehend aus Startenor Pavarotti, den Dirigenten Edoardo Müller und Antonio Tonini, sowie dem Direktor der Opera Company of Philadelphia, Robert B. Driver, nicht zu beneiden, denn es waren partout keine Mozartstimmen, die sich hier an Arien, wie "Come scoglio" heranwagten.

Wer als Sieger aus dem edlen Stimmwettstreit hervorgehen wird, das kann die operninteressierte Öffentlichkeit erst in einigen Wochen aus Philadelphia erfahren. Denn organisiert wird Pavarottis Concorso in den USA, von demjenigen Opernhaus aus, zu dem der Startenor seit jeher eine besonders enge Beziehung pflegt. Der Preis ist übrigens nicht-monetärer Natur, dem/der Gewinner/in winkt ein Auftreten in einer Produktion der Philadelphia Opera, allerdings gemeinsam mit dem Startenor. Nicht nur im Ziel spielt Geld keine unmittelbare Rolle, auch als Antrittsvoraussetzung müssen die Kandidaten nicht, wie sonst üblich, Startgeld bezahlen, verrät die organisatorische Direktorin Jane Grey Nemeth.

Das erklärt vielleicht den relativ hohen Anteil von Teilnehmern aus ehemaligen Ostblockländern. Allen voran ließen heuer zwei Sopranistinnen aus Ungarn aus dem ansonsten eher durchschnittlichen Qualitätsniveau der Jungsänger/innen aufhorchen. Eine von ihnen braucht Wiener Opernfreunden nicht mehr vorgestellt zu werden: Andra Rost bewies in der Arie "Regnava nel silenzio" aus Lucia di Lammermoor wieder, wie sicher und technisch gekonnt sie ihren einprägsamen Sopran zu führen vermag. Tunde Franko, eine 25 Jahre junge Sopranistin, die zur Zeit am Theater von Szeget verpflichtet ist, wagte sich an die Arie der Liu "Tu, che di gel sei cinta" aus Turandot heran. Der kühle, klare Sopran dieser aparten Künstlerin klingt ebenfalls karriereverdächtig.

Noch ist alles ungewiß. Aber: Un bel di vedremo...