Die „Turner-Route“ am Rhein

Joseph Mailord William Turner war Engländer.
Daß er sich in Deutschland inspirieren ließ, skizzierte, was er später in London ausarbeitete, das mag erstaunen, ist aber jetzt „nachvollziehbar“ - auch ohne zu reisen.
„Auf den Spuren der Rheinromantik“ nennt sich nicht nur die „analoge“ William-Turner-Route, die des Künstlers Reisen im oberen Mittelrheintal dokumentiert, sondern auch eine liebe- und kunstvoll gestaltete Internet-Expedition auf des Meisters Spuren.


Turner, der „Maler des Lichts“, war Romantiker.
Damit war auch die Rhein-Romantik gemeint!
Die Gestade von „Father Rhine“ bereiste er mehrfach. Den deutschen Landen galt sogar seine erste Auslandsreise!


Der mythische Strom, „Vater Rhein“, der auch in Richard Wagners Ring-Tetralogie eine wichtige Rolle als Metapher für die Natur spielt, übte eine poetische Anziehungskraft auf den Engländer aus: Scharf eingeschnittenen Täler, Ruinen auf den Berghängen,
Burgen, wie die Festung Ehrenbreitstein…

Die Magie von Wasser und Himmel bot ihm Motive, die er zwischen 1817 und den frühen 1840er-Jahren in den verschiedensten Lichtverhältnissen verewigte.
Doch zu Fuß war es in Turners Tagen beschwerlich.
Er schaffte Tagespensa bis 40 Kilometer!
Die Napoleonischen Kriege waren vorbei (Turner hatte auf der Reise auch das Schlachtfeld von Waterloo besichtigt und „festgehalten“: Ein Kunstwerk mit viel Freiraum…für den Tod…).
Immerhin: Die Engländer konnten wieder frei reisen.
Mit der Postkutsche hatte der Künstler den Zauberstrom Rhein endlich erreicht, nach der Durchquerung von Belgien und den Niederlanden. Überfahrten über den Kanal sollen teilweise stürmisch gewesen sein… und Inspiration für Turners wilde Meeresbilder.
Oft bangten die Reisenden um ihr Leben. Weniger um Hab und Gut: Die Mitnahme von Gepäck war limitiert.
Das Malen auf Wanderreisen durfte nicht zu aufwendig sein. Ölbilder schieden aus. Turner aquarellierte, und er füllte seinen Skizzenbücher.


Mit penibler Genauigkeit, aber gleichzeitig unter Inanspruchnahme von großer künstlerischer Freiheit, schon vorausweisend auf die oft nur angedeutete und collagierte Technik der nachfolgenden Impressionisten, hielt er Szenen für Szene fest. Ansichten am und um den Fluß, die sich ihm zwischen Koblenz und Bingen darboten.
Die drei übervollen, nach London mitgebrachten Skizzenbücher wurden während der Wintermonate in England ausgewertet. Es entstanden Aquarelle und Stahlstiche.
26 Standorte auf seinen Routen hat man jetzt auf der Turner-Site markiert - begehbare Infotafeln und interaktive Geschichten nehmen den heutigen Kunst-Wanderer mit auf Turners einstige Reisen. Die Stationen in der realen Natur, entlang des Rheins, werden nach und nach installiert.
Durch das Anklicken der geographischer Punkte auf Karten werden die Kunstwerke sichtbar, aber auch praktische Hinweise für Anfahrt, etc. erscheinen.

Aktuelle „Turner-Punkte"


Auch wenn die Turner-Punkte heute zwischen Parkplätzen, Straße, Bahn, Einkaufszentrum und Tourismusstätten angebracht werden: Der Blick auf das Wasser evoziert immer noch - Gefühl. Wie damals, als Turners Reisegefährte notierte:
„Ich hatte das Glück, einen (…) kleinen, älteren Herrn kennenzulernen… Er streckt ständig den Kopf aus dem Fenster, um zu skizzieren… und wurde recht zornig, weil der Kutscher nicht warten wollte, während er den Anblick (…) beim Sonnenuntergang festhielt. `Verfluchter Kerl,` sagte er. `Er hat kein Gefühl´. Nach seinen Gesprächen ist er so etwas wie ein Künstler, wenn nicht ein echter. … Der Name auf seinem Koffer ist J.W. oder J.M.W. Turner“ (zitiert nach dem Kunsthistoriker John Walker: William Turner, Köln 1978).


turner-route.de


P.S.
Kein Gefühl? Mag sein, in der Sphäre des künstlerischen Gefühls ging Turner in seiner Epoche etwas ab, war er doch mit den technischen Erneuerungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts konfrontiert: Dampfmaschine, Dampfschiffe, das Einsetzen der industriellen Revolution.
Auch mit diesem Thema setzte sich der Künstler auseinander:



Turner´s modern world
Tate Gallery London bis 12.September 2021