Im (neuen) Salon einer Sammlerlegende
Die Frick Collection war immer speziell: Stilvoll beheimatet in einer
Prachtvilla am New Yorker Central Park, zeigt sie große europäische
Kunst. Zeigte, besser gesagt: Seit Mitte März ist das Museum
interimsmäßig als "Frick Madison" an der Upper East Side untergebracht,
in einer Gegenwelt zum gewohnten, elegant getäfelten
Fin-de-Siecle-Ambiente. Im minimalistischen Betongebäude des Architekten
Marcel Breuer erscheinen die klassischen Kunstwerke in neuem Licht.
So ist das - bis die ursprüngliche Frick-Heimstatt in zwei Jahren umgebaut und renoviert sein soll - auch beabsichtigt: Kurator Xavier F. Salomon hofft, dass Menschen die Sammlung dadurch neu entdecken werden. Dazu hat der charismatische, in Rom geborene Kunsthistoriker in den vergangenen Monaten schon das Seine beigetragen.
Szenearoma beim Onlinecocktail
Seit Beginn der Coronakrise, der die internationalen Museen mit verschiedensten Digitalangeboten begegnen, bittet Salomon als charmanter Gastgeber und eloquenter Erzähler zum wöchentlichen Kunstcocktail: Jeden Freitag um fünf schlägt die Happy Hour als Livestream im Internet. Ein Kunstwerk aus der Frick-Sammlung steht dabei im Mittelpunkt eines Corona-sicheren Talks. Die notwendigen Zutaten für die jeweils passenden Drinks werden vorab auf der Frick-Website bekannt gegeben. Doch was im Glas gerührt oder geschüttelt werden soll, ist nur ein raffinierter Kunstgriff. Das Aroma der bunten New Yorker Gesellschaftsszenerie, die bis 2019 beispielsweise zu den "Frick-Spring" Garden Parties strömte, soll man so auch in der sterilen Digitalwelt schmecken können.
Salomon und seine ebenso sympathisch-kompetente Kuratorenkollegin Aimee Ng wissen, wie das geht: Persönliche Bemerkungen zum Andauern der Krise, ein wenig Smalltalk zur Jahreszeit - schon befindet man sich in einem kurzweiligen Kunstgeschichtekapitel, das biografische Daten und Frick-Sammlerdetails auf geschickte Weise verwebt. Salomon im Gespräch mit der "Presse": "Schon vor Covid streamten wir Vorträge, erreichten damit aber nur eine begrenzte Zahl lokaler Follower. Für diese Serie, die wir spontan im ersten Monat des Shutdowns entwickelten, haben wir jetzt ein internationales Publikum." Die Episoden werden zu Hause bei den Kuratoren gefilmt. So knüpft man Kunstkontakte von Wohnzimmer zu Wohnzimmer, wobei das in New York stellvertretend für die Salons von Gründer Henry Clay Frick steht: Es ist, als würde man an seiner Seite durch die Säle streifen.
Der intime Zuschnitt der Sammlung erklärt sich auch durch den Fokus auf seine Person. Aus armen Verhältnissen stammend, mit Ahnen aus der Schweiz und aus Deutschland, war Frick schon mit 30 Jahren Millionär. Seine Sammlung baute er mit derselben Kombination aus Fleiß, Ausdauer und Leidenschaft auf wie sein Kohle-Stahl-Imperium. Martha Frick Symington Sanger schreibt, der geheime Traum ihres Urgroßvaters sei ein Genie-Leben wie das von Rembrandt gewesen. Doch das Schicksal hatte Frick zum Industrie-Tycoon bestimmt, der Eisenbahnlinien und Straßen finanzierte und schließlich eine Partnerschaft mit dem Stahlgiganten Andrew Carnegie einging. Reichtum konnte Frick nicht vor Schicksalsschlägen bewahren. Tochter Martha starb sechsjährig einen qualvollen Tod, nachdem sie eine Nadel verschluckt hatte. Auch berufliche Stromschnellen dramatisierten sein und das Leben anderer: An einem Dammbruch, der Tod und Verwüstung brachte, gab man Frick die Schuld. 1892 ergriff der Industrielle harte Maßnahmen gegen Streikende in seinen Betrieben, es gab Tote und Verletzte. Im selben Monat erfolgte ein Attentat auf ihn. Es sei "zweimal geschossen worden, aber nicht gefährlich", kabelte er an seine Angehörigen.
Alte Meister für die Öffentlichkeit
Als Fricks Familie von Pittsburgh nach New York übersiedelte, ließ er den neu zu errichtenden Prachtbau am Central Park so konzipieren, dass seine Kunstsammlung nach seinem Tod öffentlich gemacht werden konnte. Hatte er anfangs Zeitgenossen, vor allem Werke der Barbizon-Schule, angekauft, interessierte sich Frick später für Alte Meister, englische Maler und Porträtisten. Er erwarb Rembrandt, Vermeer, Gainsborough, Tizian, Veronese, Velazques, El Greco, Ingres, Fragonard, Boucher, Turner. Und hinterließ bei seinem Tod 137 höchstkarätige Gemälde. Zukäufe wurden und werden bis heute getätigt. So wurde die Frick-Villa zu einem der künstlerischen und gesellschaftlichen Magneten der Millionenstadt.
An diesem Punkt setzt die Cocktailserie an. Laut Kurator Salomon würde das Format "Cocktails with a Curator" gewiss auch nach Corona funktionieren, sei aber dennoch temporär angelegt - vorläufig bis Sommer 2021. (Alle bisherigen Folgen sind auf YouTube abrufbar.) "Diese Serie hat uns ermöglicht, sich noch tiefer mit unserer Sammlung zu beschäftigen, sie zu Problemen unserer Zeit in Bezug zu setzen," erläutert Salomon. Dies führte im Juni 2020, nach dem Tod von George Floyd, zu einer atypischen Folge: Nach einleitenden Worten schwieg Salomon exakt 8,46 Gedenkminuten in die Kamera. Ein Versuch, Diskussionen über die Arbeit des Museums in aktuelle Spannungsfelder einzubetten, so der Kurator: Es geht um neue Perspektiven.
Auch Frick, Geschäftsmann und scharf kalkulierender Realist, hatte eine "andere Seite": Er soll stundenlang vor seinen Kunstwerken verbracht haben, die ihm Trost und Kraft spendeten. Dennoch ließ er Carnegie, mit dem er sich zerkracht hatte, auf dessen Versöhnungsangebot ausrichten: "I will see him in hell, where we are both going."
Foto: The Frick Collectio
So ist das - bis die ursprüngliche Frick-Heimstatt in zwei Jahren umgebaut und renoviert sein soll - auch beabsichtigt: Kurator Xavier F. Salomon hofft, dass Menschen die Sammlung dadurch neu entdecken werden. Dazu hat der charismatische, in Rom geborene Kunsthistoriker in den vergangenen Monaten schon das Seine beigetragen.
Szenearoma beim Onlinecocktail
Seit Beginn der Coronakrise, der die internationalen Museen mit verschiedensten Digitalangeboten begegnen, bittet Salomon als charmanter Gastgeber und eloquenter Erzähler zum wöchentlichen Kunstcocktail: Jeden Freitag um fünf schlägt die Happy Hour als Livestream im Internet. Ein Kunstwerk aus der Frick-Sammlung steht dabei im Mittelpunkt eines Corona-sicheren Talks. Die notwendigen Zutaten für die jeweils passenden Drinks werden vorab auf der Frick-Website bekannt gegeben. Doch was im Glas gerührt oder geschüttelt werden soll, ist nur ein raffinierter Kunstgriff. Das Aroma der bunten New Yorker Gesellschaftsszenerie, die bis 2019 beispielsweise zu den "Frick-Spring" Garden Parties strömte, soll man so auch in der sterilen Digitalwelt schmecken können.
Salomon und seine ebenso sympathisch-kompetente Kuratorenkollegin Aimee Ng wissen, wie das geht: Persönliche Bemerkungen zum Andauern der Krise, ein wenig Smalltalk zur Jahreszeit - schon befindet man sich in einem kurzweiligen Kunstgeschichtekapitel, das biografische Daten und Frick-Sammlerdetails auf geschickte Weise verwebt. Salomon im Gespräch mit der "Presse": "Schon vor Covid streamten wir Vorträge, erreichten damit aber nur eine begrenzte Zahl lokaler Follower. Für diese Serie, die wir spontan im ersten Monat des Shutdowns entwickelten, haben wir jetzt ein internationales Publikum." Die Episoden werden zu Hause bei den Kuratoren gefilmt. So knüpft man Kunstkontakte von Wohnzimmer zu Wohnzimmer, wobei das in New York stellvertretend für die Salons von Gründer Henry Clay Frick steht: Es ist, als würde man an seiner Seite durch die Säle streifen.
Der intime Zuschnitt der Sammlung erklärt sich auch durch den Fokus auf seine Person. Aus armen Verhältnissen stammend, mit Ahnen aus der Schweiz und aus Deutschland, war Frick schon mit 30 Jahren Millionär. Seine Sammlung baute er mit derselben Kombination aus Fleiß, Ausdauer und Leidenschaft auf wie sein Kohle-Stahl-Imperium. Martha Frick Symington Sanger schreibt, der geheime Traum ihres Urgroßvaters sei ein Genie-Leben wie das von Rembrandt gewesen. Doch das Schicksal hatte Frick zum Industrie-Tycoon bestimmt, der Eisenbahnlinien und Straßen finanzierte und schließlich eine Partnerschaft mit dem Stahlgiganten Andrew Carnegie einging. Reichtum konnte Frick nicht vor Schicksalsschlägen bewahren. Tochter Martha starb sechsjährig einen qualvollen Tod, nachdem sie eine Nadel verschluckt hatte. Auch berufliche Stromschnellen dramatisierten sein und das Leben anderer: An einem Dammbruch, der Tod und Verwüstung brachte, gab man Frick die Schuld. 1892 ergriff der Industrielle harte Maßnahmen gegen Streikende in seinen Betrieben, es gab Tote und Verletzte. Im selben Monat erfolgte ein Attentat auf ihn. Es sei "zweimal geschossen worden, aber nicht gefährlich", kabelte er an seine Angehörigen.
Alte Meister für die Öffentlichkeit
Als Fricks Familie von Pittsburgh nach New York übersiedelte, ließ er den neu zu errichtenden Prachtbau am Central Park so konzipieren, dass seine Kunstsammlung nach seinem Tod öffentlich gemacht werden konnte. Hatte er anfangs Zeitgenossen, vor allem Werke der Barbizon-Schule, angekauft, interessierte sich Frick später für Alte Meister, englische Maler und Porträtisten. Er erwarb Rembrandt, Vermeer, Gainsborough, Tizian, Veronese, Velazques, El Greco, Ingres, Fragonard, Boucher, Turner. Und hinterließ bei seinem Tod 137 höchstkarätige Gemälde. Zukäufe wurden und werden bis heute getätigt. So wurde die Frick-Villa zu einem der künstlerischen und gesellschaftlichen Magneten der Millionenstadt.
An diesem Punkt setzt die Cocktailserie an. Laut Kurator Salomon würde das Format "Cocktails with a Curator" gewiss auch nach Corona funktionieren, sei aber dennoch temporär angelegt - vorläufig bis Sommer 2021. (Alle bisherigen Folgen sind auf YouTube abrufbar.) "Diese Serie hat uns ermöglicht, sich noch tiefer mit unserer Sammlung zu beschäftigen, sie zu Problemen unserer Zeit in Bezug zu setzen," erläutert Salomon. Dies führte im Juni 2020, nach dem Tod von George Floyd, zu einer atypischen Folge: Nach einleitenden Worten schwieg Salomon exakt 8,46 Gedenkminuten in die Kamera. Ein Versuch, Diskussionen über die Arbeit des Museums in aktuelle Spannungsfelder einzubetten, so der Kurator: Es geht um neue Perspektiven.
Auch Frick, Geschäftsmann und scharf kalkulierender Realist, hatte eine "andere Seite": Er soll stundenlang vor seinen Kunstwerken verbracht haben, die ihm Trost und Kraft spendeten. Dennoch ließ er Carnegie, mit dem er sich zerkracht hatte, auf dessen Versöhnungsangebot ausrichten: "I will see him in hell, where we are both going."
Foto: The Frick Collectio