Schon Schwind machte die Oper zum Museum

Die Pausenräume der Wiener Staatsoper, Schwindfoyer und -loggia, haben die Kriegsschäden 1945 überlebt und zeugen bis heute vom Flair der alten Hofoper. Ihre künstlerische Handschrift stammt von Moritz von Schwind (1804–1871), der einerseits Komponisten und ihre Werke (im Foyer), andererseits Motive aus Mozarts „Zauberflöte“ für die Dekorationen wählte. Ästhetisch war er im Grunde dem Biedermeier verhaftet. War das Haus, dieses 1869 eröffnete Ringstraßengebäude, technisch auf dem neuesten Stand, durch Schwinds Kunst rückwärtsgewandt?

Schwind, geboren in Wien als Sohn eines Hofsekretärs, war in seiner Jugend im Künstlerkreis um Franz Schubert verankert. Dieser soll den Neuling in seinem Diskutier-, Musizier- und Lesezirkel gefragt haben: Kann er was? Er konnte. Und da er jung und rotwangig war, erhielt er einen Spitznamen: Giselher das Kind. Und noch einen zweiten: Cherubino. Es war für die Aufnahme im engsten Schubert-Klub kein Hindernis, fanatischer Mozartianer zu sein. Schon 1823, nach einer Aufführung der „Hochzeit des Figaro“, schuf Schwind einen Federzeichnungszyklus mit hundert Figuren aus der Oper, Papageno und Papagena aus der „Zauberflöte“ mit eingeschlossen – künstlerische Freiheit? Zeitgenossen sahen Schwind als Berufsromantiker, der die „Blaue Blume“ noch in der Epoche des Historismus suchte und es liebte, Märchen darzustellen: Aschenputtel, die sieben Raben. 

Derbe Worte gegen Richard Wagner

Schwind war längst nicht mehr der junge, rotwangige Romantiker, sondern 64-jährig, als er, nach Jahren in deutschen Landen, nach Wien zurückkehrte. Höchstselbst stand er auf dem Gerüst, um al fresco Teile der neuen Hofoper zu schmücken. Und um seinen musikalischen Geschmack durchzusetzen. So feinsinnig er malend empfinden konnte, er fand derbe Worte für Kunst, die sich seinem Verständnis entzog: „Diese Konzertpossen mit ihrem syphilitischen Hintergrund“ seien ihm „von Herzen zuwider“. Er freute sich diebisch darüber, dass seine Fresken in der Loggia der Hofoper auch von der Ringstraße aus einsehbar waren. So, meinte er, seien die Wiener „verurteilt“, Kunstwerke zu sehen, „in denen keine Spur von der herrschenden Schweinerei zu finden ist“.

Vor allem lag ihm die deutsche Kunst am Herzen. 1853 bis 1855 hatte er im Auftrag des Großherzogs Carl Alexander von Sachsen-Weimar die Wartburg künstlerisch gestaltet: mit Szenen aus altdeutschen Sagen, etwa dem „Sängerkrieg auf der Wartburg“. Doch für den „Tannhäuser“-Komponisten hatte er kein Verständnis. „Das, was man romantisch nennt“, sagte er zu Eduard Mörike, „ist mir, aufrichtig gesagt, durch die Wagner'schen Eseleien verleidet.“ Und da der Wagner-Kritiker Eduard Hanslick bei der Auswahl der Komponisten, die im Foyer des neuen Opernhauses verewigt werden sollten, maßgeblich mitzureden hatte, wurde Richard Wagner nicht aufgenommen! Schwind bat in einer Audienz bei Kaiser Franz Joseph sogar, von dem von seinen Auftraggebern vorgeschlagenen Komponisten Vincenzo Bellini Abstand nehmen zu dürfen. Stattdessen wollte er Carl Ditters von Dittersdorf malen. Seine eigenwillige Komponistenauswahl, darunter Joseph Haydn – nicht mit einer Oper, sondern mit dem Oratorium „Die Schöpfung“ – wurde akzeptiert.

„Heillose Verwirrungen der Zeit“

Es gelang ihm jedenfalls, die „langweiligen griechischen Götter beiseitezulassen und solche Gegenstände anzubringen, die in Wien heimisch sind“. Und das Argument, „dass der unvergängliche Namen Mozarts naturgemäß den ersten Platz einnehmen muss“, war schwer widerlegbar. „Die Zauberflöte“ empfand Schwind als die „entschiedenst deutsche Oper“. Das Medaillon, das Kaiserin Maria Theresia mit dem kleinen Mozart darstellt, schuf der Künstler en grisaille. Es sollte sich von der bunten Farbenwelt der „Zauberflöte“ abheben. Und die habsburgische Würde zum Ausdruck bringen. Schon im Revolutionsjahr 1848 hatte Schwind vermerkt: „Den heillosen Verwirrungen der Zeit bin ich noch insofern dankbar, als sie einen ganz auf sich selbst verweisen. Nur das Allerinnerlichste gibt jetzt ein Gleichgewicht gegen den Taumel . . .“ Eine biedermeierliche Rückzugsparole, die in Zeiten der Pandemie fast vertraut klingt.

Seit der Restaurierung sind die Schwind-Fresken wieder farbenfrisch und in ihren fantasievollen Sujets gut erkennbar. Ein Grund, biedermeierliche Abgeschiedenheit zu durchbrechen und der Staatsoper wenigstens einen Besichtigungsbesuch abzustatten. Und auch angesichts der Fresken zu überlegen, ob die Oper schon zur Eröffnung 1869 teilweise museal gewesen sein könnte . . .

Seit 12. Februar 2021 lädt die Staatsoper zum Rundgang durch eine Kunst- und Architekturausstellung mit 17 Stationen, die über die Geschichte des Hauses, die Deckenfresken, Statuen und Wandmosaike informieren. Eintritt ist frei, im Haus muss man FFP2-Maske tragen und zwei Meter Abstand halten.