Wo fängt der Himmel an?

Joseph Mallord William Turner (1775 - 1851) - der Landschaftsmaler, der Wetter, Luft, Licht, Regen - die Atmosphäre, heute würden wir sagen: das Klima, gemalt hat.

Seine Ansichten von Venedig sehen oft aus, als hätte der Künstler absichtlich Wasser auf sein Werk geschüttet.

Wo hört der Horizont auf? Wo fängt der Himmel an?

Mit seinen speziellen Licht-Bildern wurde Turner schon zu Lebzeiten ein berühmter Mann - und der reichste Maler der Nation.

Er scheute auch keine Extravaganzen, um Bildeffekte zu erreichen.

1842 ließ er sich für das Bild "Dampfer im Schneesturm" in einer Sturmnacht von der Mannschaft fünf Stunden auf den Mast binden... Oder er steckte den Kopf aus dem neumodischen Verkehrsmittel – einem fahrenden Zug.

Sein Talent zeichnete sich früh ab: Der Vater, ein Friseur, stellte seine Zeichnungen im Salon aus und verkaufte sie auch. Das waren erst Aquarelle. Erst später arbeitet Turner mit Ölfarben.

Barocke Wurzeln

Sein Lieblingskünstler war übrigens der französische Barockmaler Claude Lorrain, der ein sonnendurchflutetes Italien auf Leinwand bannte. Lorrain war 1600 geboren - seine Sonnendarstellungen waren noch nicht durch technische Einflüsse vernebelt.

Turner war bereits vom Zeitalter der aufkommenden Technik und Wissenschaft beeinflußt - der Mensch wollten von nun an die Natur beherrschen. Doch Turner war von der ewigen "Technik der Natur" begeistert. Dennoch wurde er zum Erneuerer und Vorreiter der Moderne – weil er in den Lichtstimmungen die Auflösung der Gegenständlichkeit vorwegnahm.

Die Kritik reagierte zum Teil fassungslos.

Die dunkle Privatgalerie

Turner unterrichtete als Professor für Perspektive, er unterhielt eine Privatgalerie, vor der er seine Besucher im Dunkeln warten ließ, aufdaß sich deren Augen an das Dunkel anpaßten.

John Ruskin urteilte über Turner:

...wurde heute dem Mann vorgestellt, der ohne Zweifel der größte unseres Zeitalters ist; der größte in jedem Bereich der Phantasie, jedem Zweig szenischen Wissens; zugleich der Maler und Poet unserer Zeit, J. M. W. Turner. Alle haben ihn mir als derb, ungehobelt, geistlos und vulgär beschrieben. Ich wußte, dass das nicht stimmen konnte. Ich fand in ihm einen etwas exzentrischen, scharfsinnigen, nüchternen und englisch gesinnten Gentleman: offensichtlich gutmütig, offensichtlich reizbar, jedem Unsinn abhold, gewitzt, vielleicht ein wenig selbstverliebt demonstriert oder zur Schau gestellt, sondern sie nur gelegentlich in einem Wort oder einem Blick aufblitzen läßt.


Die National Gallery erhielt nach Turners Tod 100 vollendete Gemälde sowie Originalwerke aus dessen Haus und Atelier.


Turner. Three Horizons

München Lenbachhaus (in Kooperation mit Tate London)

bis 10. März 2024