Carl Larssons Interieurbilder könnten einem Ikeakatalog des ausgehenden
19. Jahrhunderts entstammen. Der Maler hatte sich mit seiner Ehefrau und
Künstlerkollegin Karin in der mittelschwedischen Provinz Dalarna eine
Musteridylle geschaffen: Ein Holzhaus, in dem jedes Detail, vom
Blumentischchen bis zu den Textilien, selbst entworfen war. Als Modelle
dienten ihm die eigenen Familienmitglieder. Seine oft an
Märchenbuch-Illustrationen erinnernden Darstellungen zeigen die acht
Kinder, Klavier übend, Theater spielend oder am Frühstückstisch vor sich
hin trotzend.
Larsson, der Heile-Welt-Maler, dessen Bücher
schon im wilhelminischen Deutschland in hunderttausenden Exemplaren als
Biederlichkeitsbibel verbreitet waren, hatte sich dieses Idyll ganz
bewusst als Gegenwelt zur eigenen Jugend geschaffen: Aufgewachsen im
Stockholmer Armenviertel lernte er das zusammengepferchte Leben ganzer
Familien in nur einem Zimmer, Hunger, Seuchen und die Brutalität des
Vaters, eines Trinkers, am eigenen Leib kennen. Er wollte sein
Harmoniebedürfnis künstlerisch und als Lebensprogramm umsetzen. Eine
Immunität gegen künstlerische Zeitströmungen zeigte sich bereits in
Frankreich, wo er in der Malerkolonie Barbizon nicht dem Impressionismus
frönte, sondern sich mit schwedischen Künstlerkollegen abschottete.
Anders als beispielsweise sein skandinavischer Kollege Edvard Munch wird
Larsson kein Dramatiker menschlicher Schicksale und großer nordischer
Landschaften.
Strindberg nannte ihn einen Kriecher
Er schafft Bilder-Tagebücher seiner unmittelbaren Umgebung, erhält aber
auch offizielle Aufträge für Monumentaldarstellungen in der Stockholmer
Oper und im Nationalmuseum. Seine Freundschaft mit Strindberg, den er
porträtierte, wird zur großen Lebensenttäuschung, als der Dichter ihn
öffentlich der anbiedernden Kriecherei anprangert. Larsson bleibt seinem
Lebensmodell treu, kultiviert seine bürgerliche Familienidylle, die auf
einem sich verfestigenden Konservativismus und tiefer Gläubigkeit fußt.
Dass er, möglichen Naivitätsvorwürfen zum Trotz, heute wieder - oder
mehr denn je - zum Publikumsmagneten taugt, beweist die Münchner
Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, die eine große Larsson-Retrospektive
(samt begehbarem Faksimile-Blockhaus) noch bis 5. Februar zeigt.
Die Geschichte vom autarken Aussteiger, der als Künstler und
bäuerlicher Selbstversorger der Welt den Rücken kehrt, kann auch reisend
nachempfunden werden: Die Schweden-Werbung "Visit Sweden" bietet Touren
auf Carl Larssons Spuren - Besichtigung des originalen, noch im
Familienbesitz befindlichen Hauses inbegriffen - an.