Er scheint bei italienischen Opernstars der Weltklasse zum guten Ton zu
gehören: der eigene Gesangswettbewerb. Luciano Pavarotti schart seit
Jahren junge Talente zur Endauslese im Modener Teatro Communale um sich.
In seinem Concorso hat der Startenor immerhin Talente wie Fiamma Izzo
D'Amico, Mignon Dunn und Francesco Elero d'Artegna "entdeckt"...
250 Finalisten waren es heuer, die in Vorsingen auf der ganzen Welt
ausgewählt wurden. Zum Endspurt in Pavarottis Heimatstadt Modena wurden
an zwei Tagen insgesamt 123 Kandidaten für das Finale approbiert. Und BP
(Big Pavarotti) bewies auch in seinem Wettbewerb, daß er ein Künstler
der Superlative ist.
Um acht Uhr abends hebt sich der Vorhang
im historischen, vom herzöglichen Architekten Francesco Vandelli 1838
erbauten Logentheater zu Modena, erst Stunden nach Mitternacht endet
Pavarottis Sängerkrieg. Der Maestro höchstpersönlich kündigt mit dem ihm
eigenen enthusiastischen Ton in der Stimme via Mittelloge unermüdlich
neue Kandidaten (es werden über 50 pro Abend!) mit Namen und Alter an,
kaum daß die Vor-Sänger das Podium verlassen haben.
Aus den
fünf Arien, die jeder Kandidat vorbereitet, scheint Pavarotti gerne
Piecen aus seinem eigenen Repertoire zu wählen, denn
überdurchschnittlich oft ertönt italienisches (Belcanto-)Fach. Über ein
Drittel der aus allen Ländern stammenden Jungbarden sind übrigens
gebürtige Italiener/innen. Just bei Mozart war die Jury, bestehend aus
Startenor Pavarotti, den Dirigenten Edoardo Müller und Antonio Tonini,
sowie dem Direktor der Opera Company of Philadelphia, Robert B. Driver,
nicht zu beneiden, denn es waren partout keine Mozartstimmen, die sich
hier an Arien, wie "Come scoglio" heranwagten.
Wer als Sieger
aus dem edlen Stimmwettstreit hervorgehen wird, das kann die
operninteressierte Öffentlichkeit erst in einigen Wochen aus
Philadelphia erfahren. Denn organisiert wird Pavarottis Concorso in den
USA, von demjenigen Opernhaus aus, zu dem der Startenor seit jeher eine
besonders enge Beziehung pflegt. Der Preis ist übrigens nicht-monetärer
Natur, dem/der Gewinner/in winkt ein Auftreten in einer Produktion der
Philadelphia Opera, allerdings gemeinsam mit dem Startenor. Nicht nur im
Ziel spielt Geld keine unmittelbare Rolle, auch als
Antrittsvoraussetzung müssen die Kandidaten nicht, wie sonst üblich,
Startgeld bezahlen, verrät die organisatorische Direktorin Jane Grey
Nemeth.
Das erklärt vielleicht den relativ hohen Anteil von
Teilnehmern aus ehemaligen Ostblockländern. Allen voran ließen heuer
zwei Sopranistinnen aus Ungarn aus dem ansonsten eher durchschnittlichen
Qualitätsniveau der Jungsänger/innen aufhorchen. Eine von ihnen braucht
Wiener Opernfreunden nicht mehr vorgestellt zu werden: Andra Rost
bewies in der Arie "Regnava nel silenzio" aus Lucia di Lammermoor
wieder, wie sicher und technisch gekonnt sie ihren einprägsamen Sopran
zu führen vermag. Tunde Franko, eine 25 Jahre junge Sopranistin, die zur
Zeit am Theater von Szeget verpflichtet ist, wagte sich an die Arie der
Liu "Tu, che di gel sei cinta" aus Turandot heran. Der kühle, klare
Sopran dieser aparten Künstlerin klingt ebenfalls karriereverdächtig.
Noch ist alles ungewiß. Aber: Un bel di vedremo...