Eine besondere Picasso-Ausstellung ist derzeit in München zu sehen: Nur
rund ein Drittel der ausgestellten Werke sind "Picassos". 110 der 170
präsentierten hochkarätigen Arbeiten stammen nicht von seiner Hand - sie
gehörten ihm. In Picassos persönlicher Kunstsammlung finden sich Werke
von Braque, Cezanne, Corot, Courbet, Degas, Matisse, Miro, Renoir und
Rousseau, um nur die klingendsten Namen zu nennen. Picasso, exzentrisch
und unangepaßt als Mensch, war auch kein konventioneller Kunstsammler.
Die Werke, die sich in seinen Ateliers und Wohnungen ansammelten,
spiegeln vielmehr den genialen, alle Formen sprengenden Künstler wider.
Bilder, die bei Picasso eine Bleibe fanden, stammten von mit ihm
bekannten oder befreundeten Künstlern, sie sind Zeugen gegenseitiger
(oder auch einseitiger) Anregungen künstlerischer Natur.
Zeitzeugen wie Jean Leymarie erinnern sich, wie sich Picasso für die
Elaborate seiner "Konkurrenten" begeistern konnte, vor dem "Korb mit
Orangen" von Matisse soll er voll Begeisterung immer wieder "magnifique"
ausgerufen haben, "als wollte er es in Gleichklang zu der kühnen
Vielfalt der Farben auf der Leinwand" setzen. Picasso lebte mit seinen
Bildern. Sie hängten gerahmt an der Wand, lehnten ungerahmt am Sofa,
standen unter dem Eßtisch. War er auf den Künstler, der das Werk
geschaffen hatte, gerade nicht gut zu sprechen, so bekam das auch das
Kunstwerk zu spüren. Seine Gefährtin Francoise Gilot berichtet von einem
Stilleben Braques mit Teekanne, Zitrone und Äpfeln, das Picasso sehr
liebte und im Atelier auf einem bevorzugten Platz neben Bildern von
Matisse aufgehängt hatte. Nach einem Besuch bei Braque, im Laufe dessen
es dieser verabsäumt hatte, eine Einladung an Picasso zum Mittagessen
auszusprechen, war das Bild von seinem Platz verschwunden. Erst als der
Konflikt in Picassos Augen bereinigt war, durfte das Bild an seinen
angestammten Platz zurückkehren.
Museum im Marais-Viertel
Als Seelenverwandte, als Suchende nach einer Ausdruckswahrheit mochte
Picasso jedoch alle Maler. Er verstand alle Stile seiner Zeit, malte er
selbst doch nach dem Motto "Man darf alles tun, unter der einen
Bedingung, niemals das Gleiche wieder zu tun". Aus dem ausgezeichnet
gestalteten Münchener Ausstellungskatalog erfährt man einleitend
Informatives und Anekdotisches über Picasso als besonderen Kunstsammler.
Die in der Kollektion versammelten Künstler werden mit ihrem jeweiligen
Konnex zu Picassos OEuvre vorgestellt.
Als Picasso 1973
gestorben war, wurde der Wunsch des Verstorbenen bekannt: Er wollte, daß
seine Sammlung als Ganzes in einem Saal des Louvre untergebracht würde:
als Vermächtnis an die jungen Maler. 1979 ging die Sammlung, nach der
Klärung komplizierter Steuer- und Erbschaftsverhältnisse, durch ein
besonderes Gesetz in den Besitz des französischen Staates über. Bald
wurden Konservatorenwünsche laut, die die einzelnen Prachtstücke gerne
systematisch den jeweiligen Malern und Stilen zugeordnet hätten. Doch
das war eindeutig gegen den Wunsch Picassos. Also einigte man sich
schließlich, der Sammlung ein eigenes Musee Picasso, im Marais-Viertel
zu widmen. Selbst dort, im Hotel Sal, kann der Picasso-Nachlaß mitsamt
seiner Skulpturensammlung aus konservatorischen und aus Platzgründen
kaum einmal in seiner Gesamtheit gezeigt werden. Nun hat die persönliche
Picasso-Sammlung erstmals Frankreich verlassen und wird bis 16. August
1998 vollständig in der Hypo-Kulturstiftung in München gezeigt.