DER SAMMLER PICASSO

Die Kunstsammlung des größten Malers des XX. Jahrhunderts wirft ein Licht auf seine Persönlichkeit
(zu einer Ausstellung im Jahr 1998)

Eine besondere Picasso-Ausstellung ist derzeit in München zu sehen: Nur rund ein Drittel der ausgestellten Werke sind "Picassos". 110 der 170 präsentierten hochkarätigen Arbeiten stammen nicht von seiner Hand - sie gehörten ihm. In Picassos persönlicher Kunstsammlung finden sich Werke von Braque, Cezanne, Corot, Courbet, Degas, Matisse, Miro, Renoir und Rousseau, um nur die klingendsten Namen zu nennen. Picasso, exzentrisch und unangepaßt als Mensch, war auch kein konventioneller Kunstsammler. Die Werke, die sich in seinen Ateliers und Wohnungen ansammelten, spiegeln vielmehr den genialen, alle Formen sprengenden Künstler wider. Bilder, die bei Picasso eine Bleibe fanden, stammten von mit ihm bekannten oder befreundeten Künstlern, sie sind Zeugen gegenseitiger (oder auch einseitiger) Anregungen künstlerischer Natur.

Zeitzeugen wie Jean Leymarie erinnern sich, wie sich Picasso für die Elaborate seiner "Konkurrenten" begeistern konnte, vor dem "Korb mit Orangen" von Matisse soll er voll Begeisterung immer wieder "magnifique" ausgerufen haben, "als wollte er es in Gleichklang zu der kühnen Vielfalt der Farben auf der Leinwand" setzen. Picasso lebte mit seinen Bildern. Sie hängten gerahmt an der Wand, lehnten ungerahmt am Sofa, standen unter dem Eßtisch. War er auf den Künstler, der das Werk geschaffen hatte, gerade nicht gut zu sprechen, so bekam das auch das Kunstwerk zu spüren. Seine Gefährtin Francoise Gilot berichtet von einem Stilleben Braques mit Teekanne, Zitrone und Äpfeln, das Picasso sehr liebte und im Atelier auf einem bevorzugten Platz neben Bildern von Matisse aufgehängt hatte. Nach einem Besuch bei Braque, im Laufe dessen es dieser verabsäumt hatte, eine Einladung an Picasso zum Mittagessen auszusprechen, war das Bild von seinem Platz verschwunden. Erst als der Konflikt in Picassos Augen bereinigt war, durfte das Bild an seinen angestammten Platz zurückkehren.

Museum im Marais-Viertel

Als Seelenverwandte, als Suchende nach einer Ausdruckswahrheit mochte Picasso jedoch alle Maler. Er verstand alle Stile seiner Zeit, malte er selbst doch nach dem Motto "Man darf alles tun, unter der einen Bedingung, niemals das Gleiche wieder zu tun". Aus dem ausgezeichnet gestalteten Münchener Ausstellungskatalog erfährt man einleitend Informatives und Anekdotisches über Picasso als besonderen Kunstsammler. Die in der Kollektion versammelten Künstler werden mit ihrem jeweiligen Konnex zu Picassos OEuvre vorgestellt.

Als Picasso 1973 gestorben war, wurde der Wunsch des Verstorbenen bekannt: Er wollte, daß seine Sammlung als Ganzes in einem Saal des Louvre untergebracht würde: als Vermächtnis an die jungen Maler. 1979 ging die Sammlung, nach der Klärung komplizierter Steuer- und Erbschaftsverhältnisse, durch ein besonderes Gesetz in den Besitz des französischen Staates über. Bald wurden Konservatorenwünsche laut, die die einzelnen Prachtstücke gerne systematisch den jeweiligen Malern und Stilen zugeordnet hätten. Doch das war eindeutig gegen den Wunsch Picassos. Also einigte man sich schließlich, der Sammlung ein eigenes Musee Picasso, im Marais-Viertel zu widmen. Selbst dort, im Hotel Sal, kann der Picasso-Nachlaß mitsamt seiner Skulpturensammlung aus konservatorischen und aus Platzgründen kaum einmal in seiner Gesamtheit gezeigt werden. Nun hat die persönliche Picasso-Sammlung erstmals Frankreich verlassen und wird bis 16. August 1998 vollständig in der Hypo-Kulturstiftung in München gezeigt.